Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel gilt als die "Mutti" und damit als Garant für Stabilität und Kontinuität. Doch seit der Silvesternacht 2015 in Köln bröckelt das Mutti-Image.

Auf dem Essener CDU-Parteitag am 6. Dezember 2016 hat Angela Merkel nur noch 89,5 Prozent der Stimmen zum Parteivorsitz erhalten - 2014 waren es noch 96,72 Prozent. Ein Dämpfer. Das Mutti-Image bröckelt.

"Die Menschen beschreiben Angela Merkel als einen Menschen, der fast ein zölibatäres Leben führt, keinen modischen Avancen folgt, keine Hobbys hat und seinen eigenen Interessen hinterher läuft, sondern der mit Leib und Seele ganz für das Land und die Bevölkerung da ist."
Stephan Grünewald, Psychologe

Das Markenzeichen der Bundeskanzlerin war die Raute, die sie mit ihren Händen vor ihrer Körpermitte formte. Die Raute, so der Psychologe Stephan Grünewald, steht für eine sinnbildliche Umgrenzung der Republik. Damit hätte sie immer suggeriert: "Verlasst euch auf mich, ich lass nichts Schlimmes an euch ran. Ihr habt hier ein wunderbares Paradies, das ich sichere."

"Das hat schon den Muttercharakter, das heißt, sie opfert sich buchstäblich auf für das Gemeinwohl."
Stephan Grünewald, Psychologe

Bis zu dem Zeitpunkt, als eine große Zahl Geflüchteter in Deutschland ankam, gab die Bundeskanzlerin den Menschen das Gefühl: "Ich bin für euch da, ihr könnt mir vertrauen."

"Die große Wende in der öffentlichen Wahrnehmung kam, als sie die Raute geöffnet und die Arme ausgebreitet hat. Sie ist von einer Schutzheiligen der Heimat mutiert zu einem internationalen Willkommensengel."
Stephan Grünewald, Psychologe

Bis zur Öffnung der Grenzen habe Angela Merkel die Bürger beinahe entmündigt, weil sie alle immer in Sicherheit gewogen habe. Ihr sei es als Verrat oder vollkommene Umkehrung ihrer bisherigen Haltung ausgelegt worden, dass sie den Geflüchteten die Aufnahme in Deutschland ermöglich hat. Die Enttäuschten fragen sich deshalb: "Wen liebt Mutter Merkel eigentlich: Die eigenen oder die fremden Kinder?", sagt der Psychologe

Paradigmenwechsel

Beim Essener Parteitag hat Angela Merkel ihre Parteimitglieder um Unterstützung für ihre vierte Kanzlerschaft gebeten. Bis dahin sei sie die Mutter gewesen, sagt der Psychologe, die gar nicht daran interessiert gewesen sei, die Menschen an ihrer Politik zu beteiligen. Jetzt suggeriert Angela Merkel mit ihrer Bitte um Hilfe ihre eigene Schwäche und hofft so auf den Beistand, den sie braucht.

"Es sind sehr selten die ganz einfachen Antworten, die unser Land voranbringen."
Angela Merkel, CDU-Parteivorsitzende während des Parteitages in Essen

Stephan Grünewald analysiert, dass Angela Merkel jahrelang immer die einfachen Antworten gegeben hätte und damit suggerierte: Die Krisen in der Welt kommen in Deutschland nicht an.

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Inzwischen habe die Wirklichkeit Angela Merkel eingeholt: Wir müssen uns ganz komplexen Problemen stellen, sagt der Psychologe. Einfache Lösungen würden die Probleme dagegen nur verschlimmern.

"'Wir schaffen das' scheitert daran, weil kein Mensch weiß, wer mit dem 'wir' gemeint ist, weil keiner einen Plan hat, was er leisten soll."
Stephan Grünewald, Psychologe

Der Psychologe ist der Ansicht, dass Angela Merkel sich teilweise komplett neu erfinden und ihr politisches Handeln viel stärker erklären müsse. Dann könnten die Menschen sie besser verstehen und wären auch bereit, ihr zu folgen.

Angela Merkel wird auf dem CDU-Parteitag 2014 als Vorsitzende bestätigt:

Shownotes
CDU-Parteitag
Ist sie noch die Mutti?
vom 06. Dezember 2016
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Stephan Grünewald, Psychologe