Typische Satzkonstruktion im Kiezdeutsch. Das sprechen nach Meinung der Soziolinguistin Diana Marossek aber nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergund, sondern alle Schichten.

Kiezdeutsch in Berlin ist nach Meinung von Diana Marossek eine türkisch geprägte, abgekürzte Sprachvariante. Gekürzt werden Artikel wie in "Hol mal Tasse" oder "Gib mir Gabel", erklärt Diana Marossek.

"Oder sie lassen den Artikel und die Präposition weg. Als Beispiel: "Gehst du zum Bahnhof" wird zu "Gehst du Bahnhof"."
Diana Marossek, Soziolinguistin

Die Linguistin hat Schülern der unterschiedlichsten Schulformen auf den Mund geschaut. Dabei hat sie festgestellt, dass je höher der Schultyp ist, wie zum Beispiel Gymnasium, die Schüler mit dem Kiezdeutsch spielen und es bewusst einsetzen.

Grammatische Verkürzungen kennt aber auch das Berlinerische, erklärt Diana Marossek, wie zum Beispiel "Bist du auf Arbeit?" oder "Bist du mit Fahrrad?". Dabei handelt es sich um die selbe Verkürzung wie im Kiezdeutsch.

Verkürzungen sind kreativ

Grund für die Verkürzungen, glaubt die Linguistin, ist der Wunsch, in der Sprechsprache nicht geschwollen klingen zu wollen. Sprachverkürzungen drücken einerseits Kreativität und andererseits Faulheit aus.

"Und es gehört auch ein bisschen zur Identität, seine eigene Sprache zu haben."
Diana Marossek, Soziolinguistin

Aber auch das Kiezdeutsch ist Sprachmoden und -wandel unterworfen. Diana Marossek entwirft dafür drei Szenarien: Erstens: Plötzlich finden Kiezdeutsch alle uncool und sprechen es nicht mehr. Dann ist aber die Voraussetzung, dass eine andere Sprachevariante an die Stelle tritt. Zweitens: Kiezdeutsch bleibt eine Generationensprache, so dass die nachfolgende Generation mit der Sprachvariante nichts verbindet, beziehungsweise eine eigene Sprachvariante entwickelt und Kiezdeutsch ausstirbt. Drittens: Kiezdeutsch geht in die Stadtsprache über und nimmt allgemein Einfluss auf die Sprechsprache.

Shownotes
Kiezdeutsch
"Gehst du Bahnhof?"
vom 04. Juli 2014
Moderation: 
Nele Freudenberger
Gesprächspartnerin: 
Diana Marossek, Soziolinguistin