Laut einer Studie des Meinungsforschungsinstitutes YouGov fühlen sich zwei Drittel aller Beschäftigten von dienstlichen Verpflichtungen belastet, die vor oder nach der Arbeit anfallen. Gleichzeitig erledigen wir aber auch viel Privatkram während der Arbeit.

Auf dem Weg ins Büro schon mal die Mails checken und nach Feierabend dem Kunden auf Nachfrage noch die - natürlich superdringende - Auskunft erteilen. Ziemlich normal mittlerweile im Arbeitsleben. Und ziemlich stressig. Klingt erst mal hochdramatisch und als stünden wir alle kurz vorm Burn-out. Gleichzeitig vereinbart ihr aber vielleicht zum Beispiel auch schon mal während der Arbeit einen Arzttermin oder guckt schnell bei Facebook rein.

Ist das ein Problem?

Das kommt im Einzelfall auf den Arbeitsvertrag beziehungsweise die Regelung im Unternehmen an.

"Wenn nichts geregelt ist und das auch nicht geduldet ist, haben Sie während Ihrer Arbeitszeit Ihre ganze Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen."
Tobias Pusch, Arbeitsrecht-Experte

Wer Whatsapp kennt und weiß, wie addictive es sein kann, der weiß auch: Voll konzentriert bei der Arbeit sind wir dann nicht mehr. Laut Arbeitsvertrag müssten wir das aber. In einigen Unternehmen sind solche Dinge aber ohnehin erlaubt - und wir müssen uns auch nicht wirklich kriminell fühlen, wenn wir doch mal reinschauen.

  • Durch dieses Verhalten passiert aber eigentlich genau das, was laut der Studie als belastend empfunden wird: Wir vermischen Arbeit und Privates
  • Noch diffuser wird es, wenn wir uns auch noch gut mit den Kollegen verstehen und uns nach Feierabend mit ihnen treffen und vielleicht sogar anfreunden

Wann setzt der Stress ein?

  • Stressig wird es dann, wenn man gar nicht mehr abschalten kann
  • Das liegt auch daran, dass es gerade ziemlich en vogue ist, nicht mehr mit festen Arbeitszeiten zu arbeiten
  • Gleitzeit ist ja schon total normal, in einigen Unternehmen herrscht Vertrauensarbeitszeit, das heißt, die Stunden werden gar nicht mehr erfasst
  • Das ist auf der einen Seite super, weil flexibel, auf der anderen Seite stellt es uns aber vor neue Herausforderungen
"Es wird immer notwendiger, meine individuellen Ansprüche und die meines Unternehmens und die der Familie und die des Partners unter einen Hut zu bekommen."
Wolfgang Menz, Arbeitssoziologe am Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in München

Diese "Grenzziehungsarbeit", sagt Menz, die man immer leisten muss zwischen beiden Bereichen, das ist eine Belastungsform, die in den letzten Jahren zunimmt.

Wie kann man damit umgehen?

  • Wenn die Grenzen von Arbeit und Privatem von sich aus so diffus sind, sollten wir selber welche ziehen
  • Selbst, wenn wir von Zuhause oder unterwegs arbeiten, heißt das nicht, dass wir die ganze Zeit auf Stand-by stehen müssen
  • Es muss nicht jede Mail innerhalb von zwei Minuten beantwortet werden und das verlangt ein guter Arbeitgeber auch in der Regel nicht
  • In den Fällen, in denen wir uns mit den Kollegen anfreunden, hilft es, sich bewusst zu machen, in welcher Rolle wir uns gerade begegnen
  • Hängt man nach Feierabend rum, klammert man Arbeitsthemen aus und ist einfach nur befreundet
  • Auf der Arbeit sollten wir dafür aber auch auf keinen Fall die Freundschaft dazu ausnutzen, uns irgendwelche Vorteile zu verschaffen, oder beleidigt sein, wenn es mal nicht so läuft, wie wir das gerne hätten

Wenn man die Trennung nicht hinkriegt, dann kann das am Ende nicht nur die Karriere, sondern auch die Freundschaft kaputtmachen. Das alles ist kompliziert. Sehr kompliziert.

Shownotes
Privates und Berufsleben
Wenn die Grenzen verwischen
vom 27. Juli 2016
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Anke van de Weyer, DRadio Wissen