Nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt werden die Stimmen lauter, die schärfere Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen in Deutschland fordern.

Der mutmaßliche Attentäter Anis Amri hat sich nicht nur vor dem Anschlag, sondern auch unmittelbar danach in einer einschlägig bekannten radikal-islamistischen Moschee in Berlin-Moabit aufgehalten. Diese Informationen des Rundfunk Berlin-Brandenburg sind äußerst bemerkenswert, sagt ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg.

"Diese Moschee wird - wie 90 Moscheen in Deutschland - dauerhaft überwacht von den Sicherheitsbehörden."
Michael Götschenberg, ARD-Terrorismusexperte

Es sei ein wertvoller Hinweis für die Ermittlungen. Zum einen wisse man, dass der Hauptverdächtige Amri nach dem Anschlag scheinbar noch seelenruhig in die Moschee gegangen ist. Außerdem scheint er bei dem Anschlag nicht schwer verletzt worden zu sein.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat eine umfassende Videoüberwachung an "neuralgischen Punkten und bei Großveranstaltungen" in Berlin gefordert. Dazu zählten "Brennpunkte der Kriminalität" und Plätze, an denen viele Menschen zusammenkommen.

"Wer nicht für solchen Technikeinsatz ist, schützt indirekt Straftäter und Terroristen."
Bodo Pfalzgraf, DPolG-Landesvorsitzender

Die Regierungskoalition in Berlin müsse sich schnell entscheiden, auf welcher Seite sie handelt, so die Polizeigewerkschaft. Durch die Bilder erhielten die Ermittlungsbehörden das nötige Werkzeug, um Straftäter zu identifizieren, begründete der Landesverband am Donnerstag seine Forderung.

Gesichtserkennung an Flughäfen und Bahnhöfen?

Einschlägig bekannte Plätze zu schützen und per Video zu observieren, sei gut, sagt Michael Götschenberg. Die Gefahr sei dann nur: Die Kriminalitätszentren verlagern sich dann einfach an andere Orte.

"Sinn macht Videoüberwachung an Orten, wo häufig Anschläge stattfinden: an Bahnhöfen oder Flughäfen. Auch die Gesichtserkennung macht hier durchaus Sinn."
Michael Götschenberg, ARD-Terrorismusexperte

Eine Fußfessel sei ein extremer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, sagt Götschenberg. Darüber zu reden, dass man einen Anschlag verüben will, sei noch keine Straftat.

"Ich hoffe, die elektronische Fußfessel kommt bald. Wir haben eine andere Sicherheitslage als vor 10 oder 20 Jahren, und darauf muss man reagieren."
Armin Laschet, Vorsitzender der NRW-CDU, im Deutschlandfunk

Das Problem: Bei einem Straftäter komme die Fußfessel in Frage. Bei einem "Gefährder" wie Amri sei das aber nicht umzusetzen. Den können man eben nur überwachen. Seine Strafen für das, was er in Italien verbrochen hat, habe er dort abgesessen.

"Drogendealer - das hat Amri ja auch in Deutschland betrieben - können wir nicht mit Fußfesseln versehen."
Michael Götschenberg, ARD-Terrorismusexperte

Update:

Das Berliner Landeskriminalamt widerspricht den Recherchen des rbb, dass der mutmaßliche Berlin-Attentäter Anis Amri kurz vor und nach der Tat in Berlin-Moabit gefilmt wurde. Der Chef des Berliner Landeskriminalamtes, Steiof, sagte am Freitag (23.12.2016) im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses, er habe entsprechende Informationen, dass Amri nicht die Person auf den Bildern sei, die der rbb am Donnerstagabend veröffentlicht hatte.

  • Kurz und Heute
  • Moderation: Till Haase
  • Gesprächspartner: Michael Götschenberg, ARD-Terrorismusexperte