Das Auto bietet Schutzraum. Das Fahrrad ist ein Fluchtfahrzeug. Deshalb trauen wir uns im Straßenverkehr mehr als woanders. Die Wut kann raus. Komplett.

Warum bloß sind wir ausgerechnet im Straßenverkehr so aggressiv? Genau dort, wo es durch hohe Geschwindigkeiten gefährlich ist, können wir Aggression eigentlich überhaupt nicht gebrauchen.

Peter Kiegeland arbeitet beim TÜV Thüringen und ist Vorsitzender der Sektion Verkehrspsychologie beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Seine These: Wenn der Mensch ein Verkehrsmittel zur Verfügung hat, fühlt er sich stärker. Das Auto bietet räumlichen Schutz, dort ist man quasi unangreifbar. Diesen Schutz bietet das Fahrrad zwar nicht, aber immerhin kann man damit schnell abhauen, wenn es zu heikel wird.

"Der Smart wird mit Sympathie betrachtet. Viele andere Autos nicht."
Verkehrspsychologe Peter Kiegeland

Der Verkehr unterstützt Aggressionen heute mehr als früher, sagt Kiegeland. Das Verkehrssystem muss mehr Teilnehmer befördern, ist also dichter geworden. Auch würden viele Autos vom Design her schon Aggression suggerieren.

Kommt der Auto- oder Fahrradfahrer nicht voran, wird er in seiner Intention behindert, von A nach B zu kommen. Ein klassischer Wut-Grund.

Peter Kiegeland therapiert Menschen, die sich im Straßenverkehr massiv daneben benommen haben. Er muss den Verkehrssündern dann häufig erstmal eine realistische Sichtweise auf die Dinge beibringen - damit sie nicht mehr Sätze sagen wie: "Wenn der Blitzer da nicht gestanden hätte, gäbe es überhaupt kein Problem."

Shownotes
Straßenverkehr
Systemimmanente Wut
vom 03. Juni 2014
Gesprächspartner: 
Dr. Peter Kiegeland
Moderation: 
Verena von Keitz