Im Netz tut sich ein Riss auf zwischen Journalisten, die über die Krise in der Ukraine berichten und Usern, die Verständnis für die Haltung Russlands zeigen. Andreas Noll sucht nach Gründen für diese Diskrepanz.

Die Lage im Osten Europas ist angespannt. Gestern sprach ein EU-Kommissar von der gefährlichsten Situation seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Und auch im Netz ist die Stimmung aufgewühlt. Kaum ein Artikel über die Ukraine auf Spiegel Online, Zeit Online, süddeutsche.de oder faz.net, der nicht innerhalb kurzer Zeit mehr als 100 Kommentare provoziert.

Seit dem Beginn der Krim-Krise fällt auf: Ganz im Gegensatz zu den Journalisten, zeigen viele User sehr viel Verständnis für die russischen Reaktionen, für die Politik von Wladimir Putin. Deutlich wird eine offensichtliche Unzufriedenheit mit der Berichterstattung in den westlichen Medien. Bleibt die Frage: Wer steckt hinter diesen Kommentaren?

  • Möglichkeit 1: Sehr viele Deutsche haben tatsächlich das Gefühl, dass "die Medien" ziemlich einseitig berichten und sehen Putin im Recht. Vielleicht sogar verbunden mit einer gehörigen Portion Frust über die westliche Gesellschaft und Hass auf die eigenen Politiker.
  • Möglichkeit Nr. 2: Es handelt sich um Auftragskommentare. Also
    Propaganda von jemandem mit russischen Interessen.

DRadio-Wissen-Reporter Andreas Noll sieht die Sache ein wenig differenzierter. Sollte es sich um beauftragte Kommentare handeln, dann sei dies eine sehr schlagkräftige Propagandaabteilung. 24 Stunden am Tag im Einsatz, mit unzähligen Kommentatoren. Und das Ganze auf Deutsch und nicht in der Weltsprache Englisch.

Dass die Gesellschaft ähnlich tickt, wie diese Kommentare den Eindruck vermitteln, kann sich Andreas Noll aber auch nicht vorstellen. Der Grund: Fast alle Journalisten verurteilten in den unterschiedlichsten Medien das Vorgehen Putins. Bei den User-Kommentaren sei es fast genau umgekehrt. Für Andreas Noll ist klar: In den Kommentaren könne wenig neutrale Faktenrecherche betrieben werden. Es gehe eher um Ideologie. Mit der Wahrheit nähmen es sowohl "Russlandversteher" als auch Putingegner nicht so genau. Zahlen würde nach oben korrigiert. Die Kommentatoren machten sich die Welt, wie es ihnen gefällt.

Zwischen Russlandversteher und Kriegstreiber

Auch in anderen Medien ist diese Diskrepanz mittlerweile ein Thema. So hat sich Anfang der Woche Christian Bangel auf Zeit Online des Themas angenommen. Er fragt sich in seinem Kommentar, ob es in Deutschland überhaupt noch möglich sei, eine Position zur Ukraine zu beziehen, ohne als Russlandversteher oder Kriegstreiber dazustehen.

Bleibt die Frage, was User tun sollten, die einen neutralen und abgeklärten Blick auf die Krise haben wollen. Auf Twitter und Facebook sind natürlich diejenigen im Vorteil, die Russisch sprechen und so auf deutlich mehr Quellen zugreifen können. Aber auch für Russisch-Unkundige gibt es Möglichkeiten. Etwa das englische Interpreter-Magazin. Dort werden russische Berichte ins Englische übersetzt. Allerdings sollte beachtet werden: Hinter dieser Seite stecken zwei Non-Profit-Organisationen aus London und New York, die eindeutig den Gegnern Putins näherstehen als dem Präsidenten.

Shownotes
Ukrainekrise
Kampf um die Deutungshoheit
vom 17. April 2014