Stell dir vor, es ist Uni und ein Viertel fehlt. Und die, die nicht kommen, sind nur deshalb eingeschrieben, um weiter den Studentenstatus zu besitzen. Denn Studenten kommen oft günstiger durchs Leben. Verkehrsverbünden und Krankenkassen geht damit ordentlich Geld durch die Lappen. Und zahlen muss dafür die Allgemeinheit.

Die Uni Düsseldorf schätzt, dass jeder vierte eingeschriebene Student nur zum Schein studiert. 32.000 Studierende zählt die Heinrich-Heine-Uni offiziell. Und davon sind 8.000 nur einmal zur Uni gekommen: um sich einzuschreiben und das Semesterticket abzuholen. Das ist reizvoll, denn als Studi ist das Leben günstiger. DRadio-Wissen-Reporter Dominik Peters hat sich mit dem Phänomen Scheinstudenten beschäftigt.

Verlässliche Zahlen über Scheinstudierende an deutschen Universitäten gibt es keine

Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat beobachtet, dass nach der Abschaffung der Studiengebühren die Zahl der Studierenden im Zweitstudium rasant angestiegen ist. 8.000 sind dazugekommen. Sie schreiben sich vor allem in zulassungsfreien Studiengängen ein und absolvieren keine Prüfungen. Zahlen zum Phänomen Scheinstudenten kommuniziert einzig die Uni Düsseldorf. Sie möchte damit für Transparenz sorgen, sagt der Prorektor für Studienqualität, Stefan Süß. Nach seiner Beobachtung sind Scheinstudenten in Ballungsräumen besonders häufig.

"Wo wir auch ganz sicher sind, dass es nicht nur die Uni Düsseldorf betrifft, sondern auch ganz viele andere Universitäten, vor allem in Ballungsräumen. Und wo vor allem auch die Politik weiß, dass es dieses Phänomen gibt."
Prof. Stefan Süß. Prorektor für Studienqualität und Personalmanagment an der Heinrich-Heine-Uni

An anderen Unis dagegen scheint das Bedürfnis nach Klarheit gering. Anfragen bei den Unis Hamburg und München ergaben keine konkreten Auskünfte. Besonders viele eingeschriebene Studenten - das mag gut fürs Image sein. Mehr Geld bringt es den Unis dagegen nicht. Der Grund: Fördergelder fließen nur dann, wenn Studierende ihr Studium auch abschließen, so das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Illegal ist die Einschreibung nicht. Und in zulassungsfreien Fächern nehmen die, die nur den Studentenstatus suchen, auch niemandem den Studienplatz weg. Eine Lösung des Problems ist also nicht in Sicht.

"Ich frage mich nur, wer das auch in welcher Form kontrollieren kann. Weil letztlich müssten wir ja relativ einfach sagen: Man darf kein Zweitstudium mehr machen."
Stefan Süß über Kontrollmöglichkeiten

Vorteile für Scheinstudenten

Als Studi lebt es sich natürlich günstiger. Denn das Semesterticket sorgt für Mobilität, die Krankenkassen haben Studententarife und auch Theaterkarten, Schwimmbadbesuche und viele andere Dinge sind günstiger. Nahezu überall gibt es einen Studententarif und um nutzen zu können, ist der Studiausweis nötig.

Kirsten fährt täglich mit dem Semesterticket Bahn

Eine, die sich nach dem Abschluss wieder eingeschrieben hat, ist Kirsten, die tatsächlich anders heißt. Kirsten macht eine Ausbildung und fährt täglich von Köln nach Duisburg. 200 Euro würden sie die Fahrt im Monat kosten - so viel wie sie pro Semester für Immatrikulation inklusive Semesterticket ausgibt. Und mit dem Semesterticket pendelt Kirsten volle sechs Monate.

"Also es ist finanziell echt eine Umstellung dann, wenn man die ganzen Vorteile eigentlich nicht mehr hat, auch besonders dieses Bahnfahren."
Kirsten über die Gründe ihrer Immatrikulation

Geht das Scheinstudium moralisch klar?

Bleibt die moralische Frage, die jeder Scheinstudierende selbst beantworten muss. Denn auch wenn unklar ist, um welche Summen es geht, steht fest: Die Vergünstigungen für Studis müssen von anderer Stelle mitfinanziert werden. Beim Semesterticket von Kirsten holt sich der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr das fehlende Geld beim Steuerzahler wieder, der Bus und Bahnen mitfinanziert. Und für Theaterkarten oder die Schwimmbadkarte kommen Zuschüssen vom Land oder den Gemeinden.

Shownotes
Scheinstudenten
"Schreib ich mich halt noch mal ein"
vom 13. März 2017
Moderation: 
Dominik Schottner
Reporter: 
Dominik Peters, DRadio Wissen