Sexualassistenten begleiten Menschen mit Behinderung beim Sex: Sie kuscheln mit ihnen, geben Anleitung zur Selbstbefriedigung, massieren. Manche bieten auch Geschlechtsverkehr an. Nina de Vries arbeitet seit fast 20 Jahren als Sexualassistentin. Sie sagt: Jeder Mensch hat Bedürfnisse - ganz egal ob mit Behinderung oder ohne.

Die jüngste Forderung der Grünen-Abgeordneten Elisabeth von Scharfenberg, dass Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderung Sex mit Prostituierten bezahlt bekommen sollten - also gewissermaßen Sex auf Rezept -, sorgt derzeit für viel Aufregung. Empörung auf der einen und Zustimmung auf der anderen Seite.

Vorbild Niederlande

In den Niederlanden ist das Ganze schon Realität. Dort bekommen Pflegebedürftige die Leistung von zertifizierten Sexualassistenten unter strengen Auflagen bezahlt. Man braucht eine Bescheinigung, dass man sich nicht selbst befriedigen kann.

Nina de Vries kommt aus den Niederlanden, lebt aber in Deutschland und arbeitet seit fast 20 Jahren als Sexualassistentin. Sie kann die Aufregung um die Forderung der Grünen nicht wirklich nachvollziehen. Sie sagt: "Es gibt einfach Menschen, die sexuelle, sinnliche Bedürfnisse haben, und die ein Bedürfnis nach Nähe und Berührung haben." Und dazu gehörten selbstverständlich auch Menschen mit Behinderung, so de Vries.

Und dabei gehe es auch gar nicht darum, ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, also dass es zwangsläufig eine therapeutische Wirkung haben müsse.

"Es geht nicht um eine Krankheit oder eine Störung, die weggemacht werden muss."
Nina de Vries, Sexualassistentin

Wenn durch die sexuelle Aktivität dann herauskäme, dass jemand ruhiger werde, dann sei das gut, sagt Nina de Vries. "Aber es soll nicht darauf abzielen."

Zu ihrer Arbeit als Sexualassistentin zählen sinnliche Massagen, (nackter) Körperkontakt, Streicheln oder sich Umarmen. "Das, was man Kuschelsex nennt", sagt Nina de Vries. Oral- oder Geschlechtsverkehr bietet sie nicht an. Aber nicht, weil sie das schlecht oder unmoralisch findet, sondern weil sie es im Rahmen ihrer Arbeit einfach nicht anbieten möchte, wie sie sagt. "Das ist eine persönliche Grenze."

Bei ihrer Arbeit merkt sie häufig, dass die Menschen trotz einer geistigen Behinderung oder Demenz sehr behutsam, freundlich und empfindsam auf das reagieren.

"Diese Menschen werden oft total unterschätzt, etwa dass sie gar nichts mitbekommen. Aber oft sind sie sehr empfindsam und offen für Atmosphäre. Für etwas, das jemand wirklich ausstrahlt und nicht, was jemand daher labert."
Nina de Vries über ihre Arbeit als Sexualassistentin

Gegenüber Kritikern, die sagen: 'Menschen mit Behinderung haben doch wirklich andere Probleme, als Sex zu haben!', hat Nina de Vries eine klare Haltung: "Das ist doch völliger Unsinn", sagt sie. Natürlich sei es für manche Menschen erst einmal wichtig, den passenden Rollstuhl zu finden. "Aber warum muss das eine das andere ausschließen?"

Shownotes
Sexualassistenten für Pflegebedürftige
"Es geht nicht um Therapie"
vom 09. Januar 2017
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Nina de Vries, Sexualassistentin