Sieben Tage lang hat sich die Illustratorin Jasmin Schreiber bei Facebook als Melanie ausgegeben, eine 54-jährige Mutter aus Sachsen-Anhalt, die Angst vor dem Islam hat. Schneller als gedacht steckt sie mittendrin in der digitalen rechten Szene.

Es war reine Neugier, die Jasmin Schreiber angetrieben hat. Sie wollte einfach wissen, was in den Menschen vorgeht, die AfD wählen oder ihrem Wut und ihrem Hass auf Flüchtlinge auf Facebook freien Lauf lassen. Also hat sie sich ein Facebook-Profil zugelegt, das ihr Zutritt in diese Welt verschafft.

Lange musste sie nicht recherchieren, um die passenden Seiten zu finden. Mit Schlagworten wie "Heimat", "Wir sind das Volk" oder "Deutschland" stößt sie schnell auf entsprechende Facebook-Gruppen - offene und geschlossene. Dank Deutschlandfahne und Kätzchenbild im Profil bekommt sie schnell Zutritt.

"Viele Sachen haben mich sehr schockiert. Ganz viele Videos haben die da geteilt, also auch richtige Gewaltvideos - das war schon recht schwer anzusehen."

Gezielt Angst verbreiten

Unter den Posts in den Gruppen waren IS-Propaganda-Videos oder Fotos auf denen Tiere gequält werden mit Menschen aus dem arabischen Raum, die einfach in einen falschen Zusammenhang gestellt wurden, sagt Jasmin Schreiber, Da wurde dann behauptet, das sei in Bayern.

"Irgendwann war es dann so weit, dass ich - sobald ich gesehen hab, dass ein Video in der Gruppe auftaucht - ganz schnell weitergescrollt habe."
Jasmin Schreiber findet die Posts in den Gruppen schwer zu ertragen

Außerdem sehr häufig: Hassrede gegen Flüchtlinge und die Bundesregierung oder explizite Todesdrohungen gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und jede Menge Verschwörungstheorien aus Quellen, die nicht genau nachgeprüft werden können. Dazu gehören auch Posts, die behaupten, dass Homöopathie Krebs heilen kann oder Prophezeiungen vom Weltuntergang.

"Die haben sich von den etablierten Medien abgewandt. Irgendwelchen Blogs, Verfasser unklar, wird alles geglaubt."
Jasmin Schreiber über rechte Facebook-Gruppen

"Ganz krasse Türsteher-Politik"

Was Jasmin Schreiber wirklich absurd findet: Dass gerade diejenigen, die anderen Medien und Seiten Zensur vorwerfen selber sehr, sehr hart zensieren. Wer in diesen Gruppen kritische Nachfragen stellt oder auch einfach nur vage Zweifel an einer Meldung äußert, wird von den Admins sofort rausgekickt. Der entsprechende Post wird gelöscht.

"Die wollen ein bestimmtes Bild in den Gruppen aufrecht erhalten, dass sie die Opfer sind, dass man Angst haben muss, wenn man in Deutschland lebt und dass die Leute gar nicht in Kontakt mit anderen kritischen Meinungen kommen."
Jasmin Schreiber über die Türsteher-Politik in den Gruppen

Trotz allem hat Jasmin Schreiber ein viel differenzierteres Bild von den Menschen gewonnen, die in diesen Gruppen agieren. Im Gegenteil. Sie ist vorsichtiger geworden, fällt ihr Urteil nicht mehr so schnell. Denn sie hat auch erlebt, dass man mit vielen dieser Menschen ganz vernünftig reden kann.

"Ich bin die letzte, die sagt: 'Boah, die sind jetzt alle dumm'. Ich würd nicht mal sagen, die sind alle rechts."
Jasmin Schreiber, war sieben Tage in rechten Netzwerken auf Facebook

Viele Menschen, mit denen sie in den sieben Tagen als Melanie Kontakt hatte, teilen weder das rechte Gedankengut der AfD noch sind sie rechts. Sie sind einfach wütend und wollen mit ihrer Wahl der Regierung eins auswischen. Nach ihren Erfahrungen ist Jasmin Schreiber jetzt langsamer im Urteil fällen. Sie hört mehr zu, weil sie einfach verstehen will, was diese Menschen antreibt.

"Ich unterscheide sehr zwischen AfD, die Partei - da habe ich eine starke Meinung. Für mich sind das Rechtspopulisten, da gibt es gar nichts zu diskutieren, und AfD, die Wähler. Da ist von Nazi bis besorgte Omi alles dabei."
Jasmin Schreiber über ihre Erfahrungen
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Shownotes
Sieben Tage unter Rechten auf Facebook
"Ich fälle jetzt langsamer Urteile"
vom 16. März 2016
Moderation: 
Marlis Schaum
Gesprächspartnerin: 
Jasmin Schreiber, Illustratorin