Terrorismus muss bekämpft werden, keine Frage. Aber wie nennen wir diesen Kampf? Jetzt könntet ihr fragen: Spielt das überhaupt eine Rolle, ob wir das Wort Kampf, Krieg oder ein anderes verwenden? "Ja!", sagen jene, die den Kriegsbegriff kritisieren. Denn: Wer dieses Wort in diesem Zusammenhang verwende, unterstütze die Terroristen.

Vergangenes Jahr wurde Frankreich von einer ganzen Reihe grausamer Terroranschläge getroffen. Das Land reagiert, in dem es Stärke zeigt - auch militärische. "Frankreich ist im Krieg", sagte Präsident François Hollande nach den Anschlägen im November, sein Amtsvorgänger Sarkozy sprach gar von einem Krieg, der "total" sein müsse, und auch in Deutschland hatte der Kriegsbegriff plötzlich Konjunktur.

"Wir beklagen Opfer einer neuen Art von Krieg."
Joachim Gauck, Bundespräsident

Bei aller Solidarität für die Grande Nation wurde sowohl in den Medien als auch unter Wissenschaftlern und Politikern schnell auch Kritik an der Wahl des Begriffes "Krieg" laut. Auch Martin Booms, Philosophie- und Ethikdozent an Unis in Bonn, Berlin und St. Gallen, und Geschäftsführender Direktor der privaten Bonner Akademie für Sozialethik und Öffentliche Kultur, warnt, dass die Rede vom Krieg in die Irre führen. Mehr noch: dass sie der Terrorvereinigung "Islamischer Staat" sogar nutzen könnte.

"Wenn sie einen Krieg erklären, wenn sie die Kategorie des Krieges benutzen, dann erhöhen sie im Grunde den Gegner zum potentiellen Kriegsgegner."
Martin Booms, Philosoph

Der IS beziehe nämlich seine politische Macht aus der Konzeption, sich selbst als ein institutionalisiertes Gebilde darzustellen, das in einer polarisierenden Gegenstellung zum Westen steht, so Booms. In diesem Sinne berge die Verwendung der Kategorie "Krieg" eine Anerkennung der Terroristen.

"Deswegen legt sich die Befürchtung nahe, dass durch den verstärkten militärischen Einsatz zwar eine geringfügige militärische Schwächung des sogenannten Islamischen Staates erfolgen wird, aber möglicherweise eine ungleich größere politische Stärkung."
Martin Booms, Philosoph

In seinem Vortrag "Der Terror von Paris und die neue Rede vom Krieg" erläutert Martin Booms seinen kritischen Standpunkt und geht auf weitere Fragen ein, wie etwa die Funktionsweise von Terrorismus und welche Rolle wir selbst dabei spielen.

Die Ethik des Krieges

Der Vortrag wurde am 20.11.2015 aufgezeichnet, im Rahmen der Vortragsreihe "Ethik des Krieges", die gemeinsam von der Akademie für Sozialethik und Öffentliche Kultur und der Universität Bonn ausgerichtet wird und noch bis zum 12. Februar läuft; eine Begleitbroschüre zu dieser Reihe gibt es bei der Akademie. Martin Booms hatte die Überlegungen über die Kategorie "Krieg" unter dem Eindruck der kurz zuvor in Paris erfolgten Anschläge spontan statt eines eigentlich geplanten Themas eingeschoben.

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Mehr zum Thema:

Shownotes
Terror & Krieg
Die neue Rede vom Krieg
vom 09. Januar 2016
Moderatorin: 
Katrin Ohlendorf
Vortragender: 
Martin Booms, Akademie für Sozialethik und Öffentliche Kultur